15 JAHRE Alex Diehl- Das Interview

Wenn du heute auf deine 15-jährige Karriere zurückblickst, was sind die drei prägendsten Momente für dich und warum?

Ein prägender Moment war der als Kind in der Kirche. Ich war im dörflichen Kinderchor und durfte mein erstes Solo singen in der Kirche und obwohl es eigentlich nicht zum guten Ton gehört in der Kirche zu klatschen, taten es die Menschen trotzdem als ich fertig damit war. Das war ein Moment, den mein 6-Jähriges Ich bis heute nicht vergessen hat.

Seit ich hauptberuflich Musiker bin sind die prägendsten Momente, jene in denen ich es wirklich beweisen musste, dass ich das Zeug dazu habe.

Talent reicht heute bei weitem nicht mehr aus und egal wie sehr du es willst, das Momentum und eine große Portion Glück bleiben steter Begleiter in einer Karriere auf der Bühne.

Von 2013 bis 2015 habe ich unzählige Supportauftrtitte gespielt. Sei es als Solovorgruppe einer Deutschrock-Band oder vor Revolverheld, Xavier Nadioo oder Andreas Gabalier. Teilweise waren dort 20.000 Menschen vor der Bühne, die nicht mal wussten, dass es eine Vorgruppe gibt. Dementsprechend habe ich auch oft keinen Bonus im Voraus bekommen, sondern bin mit verwunderten Blicken auf diese riesigen Bühnen gewandert.

Ich hatte dann ein paar Minuten Zeit das fremde Publikum von mir zu überzeugen und ich war immer ganz dankbar und stolz, dass es immer eine Zugabe geben sollte. Das war die beste Schule für mich als Künstler und hat mir im Leben neben der Bühne auch in vielen Situationen die Ängste genommen.

2016 war ich auf den Wunsch vom ARD beim deutschen Vorentscheid zum ESC in Stockholm dabei und belegte mit einem Song, der so überhaupt nicht auf die ESC Bühne passte, spontan den zweiten Platz. Das war auch so ein Moment. 6 Millionen Menschen saßen damals vorm TV und ich war mit einem selbstgeschriebenen, politischen Song am Start „Nur ein Lied“. Da ist mir mal kurz die Spucke weggeblieben und ich war so aufgeregt wie noch nie zuvor. Als ich dann eine Runde weiterkam und Frau Schöneberger meinen Namen aufsagte, dass ich nochmal auf die TV Bühne kommen soll um nochmal zu singen, war ich dann wirklich fertig mit den Nerven.

Ich hätte gerne meine Botschaft vor ganz Europa gesungen aber leider sollte es nicht ganz sein. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich immer noch Lust hätte für unser Land anzutreten mit ehrlicher, handgemachter Musik in der Muttersprache.

 

Wie hat sich dein musikalischer Stil über die Jahre verändert und was hat dich dabei am meisten beeinflusst?

Ich habe als Teenager alles aufgesaugt, was MTV mir geboten hat. Vom Kinderzimmer mit Helden wie BLINK 182 oder CREED gings dann mit 12 Jahren in die erste eigenen POP/PUNK Band. Später an die Drums und dann an Mikro in verschiedenen Metal Bands auf dem Dorf. Mit 20 rum habe ich angefangen auf deutsch zu schreiben und meine Gefühle in meinen Liedern verarbeitet. Das war für die wunderschöne Landschaft, aus der ich stamme, aber nicht das wahre. Man redet nicht über seine Gefühle in der bezaubernden bairischen Provinz. Schon gar nicht mit Musik in der Dorfkneipe. Zumindest waren die 2000er Jahre noch nicht die richtige Zeit für so viel Offenheit und Emotionen. Ich hab die Songs dann im Keller für mich selsbt gespielt und auf der Bühne bei der „Rocknacht im Bräustüberl“ den möchtegern Rockstar aus Kansas City gegeben. Gehört aber alles dazu und war eine unfassbar schöne und lustige Zeit. Ich bin in meiner Musik angekommen und das einzige was mir wirklich wichtig ist am Genre ist dass es selbstgeschrieben, echt und handgemacht ist.

Welche waren die größten Herausforderungen, denen du in deiner Karriere gegenüberstandest, und wie hast du sie gemeistert?

Naja, ich komme aus einer wirklich wunderschönen Einöde Nähe des Chiemsees. Dort bist du mit hochdeutschsprachiger, gefühlsbetonter Musik nicht weit gekommen. Entweder du machst Party in der Lederhose oder ganz was anderes aber eben blos keinen Spiegel vorhalten. Das blieb bis zuletzt unverändert. Im 1000 KM entfernten Wilhelmshaven kamen 200 Leute zu meinem Konzert in meinem Heimatlandkreis keine 40. In den größeren Städten wie Berlin feirten wir dann 2018 ausverkaufte Clubs mit 600 Leuten +.

Es klingt so als wäre ich irgendwie enttäuscht darüber, dass meine Heimat nicht der richtige Ort für meine Kunst war. Das bin ich aber keineswegs. Sie hat mich inspiriert und mich zu einem kleinen emotionalen Revoluter werden lassen. Ich habe Emotionen teilweise aus meinen Leuten herausgepresst, weil ich wissen wollte, wer sie wirklich sind. Desto mehr ich in unserem Land herumgekommen bin, desto mehr habe ich bemerkt, dass diese wundervolle Natur zwar schön anzuschauen ist aber für mich der falsche Ort um glücklich zu werden. Ich denke die Zeiten haben sich auch dort geändert und die Menschen sind etwas offener geworden, mich hat es aber vor 4 Jahren in den hohen Norden verschlagen. In Hamburg und Schleswig-Holstein fühle ich frischen Wind und fange an hier zu wurzeln. Wie sagt man so schön!? „Leben und Leben lassen“. Ich liebe meine bairische Heimat und bin gespannt, was sich dort Nähe der Alpen in den nächsten Jahren noch so tut. Ich komme immer wieder gerne und wer weiß ob man im höheren Alter nicht wieder etwas mehr Höhenmeter verspüren möchte?

Was treibt dich immer wieder an, neue Musik zu machen und auf die Bühne zu gehen?

Das Leben selbst. Ich schreibe dann, wenn ich muss, nicht wann ich will. Es ist mein Ventil und mein Heiligtum. Ohne Musik, kein Alex*

Du hast dich entschieden, dein eigenes Label zu gründen. Welche Vorteile siehst du darin und welche neuen Herausforderungen hat das mit sich gebracht?

Der Vorteil ist ganz klar die künstlerische Freiheit. Ich veröffentliche genau das was ich möchte, dass meine Hörerinnen und Hörer auch hören sollen. Ich schreibe über sehr private Dinge, über meine Geschichten und hoffe man findet sich darin wieder. Meine Sprache ist meist nichts fürs „zum Bügeln“ nebenbei. Ich bin sehr direkt und beschreibe auch heftige Situationen in meinen Liedern. Die Herausforderung dabei ist ganz klar die Buchhaltung und Steuer (lacht). Es ist ein bürokratisches Land und alles alleine zu machen hat so manche Hürde mit sich gebracht. Ich bin aber gewillt und hole mir Tipps und Hilfe bei leidenschaftlichen und professionellen Leuten aus der Branche.

Du hast die Fans dazu eingeladen, die Setlist der Tour mitzugestalten. Was erhoffst du dir davon und wie wirst du die Wünsche deiner Fans umsetzen?

Ich werde exakt die 15 meistgewählten Songs der Ticketkäuferinnen und Käufer umsetzten. Das Publikum entscheidet zu 100% die Setlist der Tour 2025. Ich werde dem nachkommen was gewünscht ist. Ich bin selbst gespannt und habe schon die ein oder andere unerwartete Forderung an Songs vernommen. Wie die Setlist dann Final aussieht wird sich bis zum Tourstart im März immer wieder verändern. Ich bin gespannt.

Gibt es bestimmte Songs oder Momente, auf die du dich bei der Tour besonders freust?

Ja, auf jeden einzelnen Menschen, der meinen Kindheitstraum mit mir auf den Brettern unserer Welt teil. Ich bin so dankbar um die Menschen die mich besuchen und liebe das was ich tue aus ganzem Herzen. Jede Schweißperle und jeder Ton aus meiner Kehle, gehört den Menschen die diese Abende mit mir verbringen.

 

Wie möchtest du die Atmosphäre bei deinen Konzerten gestalten? Was können die Fans erwarten?

Stimmgewalt, Musik aus Holz, Leidenschaft in jeder Faser und unendliche tiefe ehrliche Geschichten werden diese Abende für alle unvergesslich machen. Dazu habe ich meine Jungs auf den Brettern dabei, die mir helfen werden alles nochmal intensiver in die Herzen der Menschen zu katapultieren.

 

Wie siehst du deine musikalische Zukunft nach der Jubiläumstour? Gibt es neue Projekte oder Alben, die du bereits planst?

Ich werde nach der Tour den Weg ins Studio suchen. 3 neue Titel sind in den letzten Monaten entstanden ohne die ich nicht mehr leben möchte. Erst vor einigen Tagen kam wieder ein Song aus mir gesprungen und ich bekomme ihn nicht mehr aus dem Kopf. Ich denke ich werde auf der Tour auch einen Vorgeschmack liefern, was später dann zum streamen und Download bereitsteht. Neue Songs LIVE auszuchecken ist ohnehin die beste Prüfung.

 

Du hast einmal erzählt, dass du als Kind schon Konzerte für deine Lego-Figuren gegeben hast. Wie hat dieser frühe Traum deine musikalische Karriere beeinflusst?

Ich bin immer noch das Kind vor den Lego Figuren. Nichts hat sich verändert.

Der einzige Unterschied ist, dass die Lego Figuren nun echte Menschen mit eigenen Geschichten sind. Wer sich ein Ticket für einen Abend mit mir holt, holt sich ein Ticket in mein Kinderherz. Egal wie groß ich gewachsen scheine. Meine Musik ist Sehnsucht, ist klein und zerbrechlich, ist groß und voller Fantasie.

 

Wer oder was inspiriert dich bei deiner Musik? Gibt es Künstler oder Bands, die dich besonders geprägt haben?

Ich hatte in meinen Teens unendlich viel Musik auf CD konsumiert. Da war alles dabei. Johnny Cash, die ersten beiden Coldplay Alben, System of a Down, Limp Bizkit, Creed, Blink 182, Bruce Springsteen, Herbert Grönemeyer und viele viele mehr.

 

Deine Texte sind oft sehr persönlich und emotional. Welche Bedeutung haben deine Songs für dich?

Sie sind mein musikalisches Tagebuch. Wer sich meine Songs genau anhört, kennt mich wahrscheinlich besser als so manches Familienmitglied. Ich bin ohne Filter. Ich bin ein offenes Buch, dass gelesen werden will und einlädt sich dazuzulegen. Ich will was bedeuten und gebe was ich kann. Ich liebe so tief und hoffe auf Herzen, die ohne Angst zu meinem kommen. Das schönste was passieren kann ist, wenn ich jemanden diese Angst mit Musik und Text nehmen kann. Ich würde gerne was bewegen und hoffe auf Bewegung in den Seelen der Menschen.

 

Engagierst du dich auch sozial? Wenn ja, für welche Projekte und warum?

Seit Tag 1 gehen alle Einnahmen an meinem Song „Nur ein Lied“ an „SAVE THE CHILDREN“. Ich habe grausame Dinge gesehen und weiß, dass mit diesem Geld neben Schulbüchern und Kleidung für geflüchtete Kinder aus Kriegsgebieten ohne Eltern auch Plätze in Pflegefamilien organisiert werden.

Die Kinderkrebshilfe liegt mir auch sehr am Herzen, da ich in der eigenen Familie auch unschöne Bekanntschaften mit diesem Thema machen musste.

Man kann reden und für die Menschen da sein, mit Musik etwas Geld erspielen. Leider stehen mir seit Corona auch nicht mehr die gleichen Mittel zur Verfügung.

 

Wie siehst du die aktuelle Musiklandschaft? Welche Veränderungen hast du in den letzten 15 Jahren beobachtet?

Musik hat in der Masse sehr an Wert verloren. Social Media und uneinsichtige Deals mit diversen Streaminganbietern haben das Musik Game grundlegend verändert. Ich fühle mich nicht wohl in diesen Zeiten als Künstler und habe das Gefühl, dass der Inhalt mittlerweile in den meisten Fällen weit hinter der Verpackung steht. Ich mache aber das Beste daraus und weiß, dass sich Zeiten immer schon geändert haben. Ich werde da sein und bis dahin versuchen das Niveau zu halten. (lacht)

 

Welche Ziele hast du dir für die nächsten Jahre gesetzt?

Ich bin mittlerweile Bonus Papa geworden und habe einen ganz anderen Horizont bekommen. Ich möchte gerne mit der Musik auch ein gutes Vorbild und fürsorglicher, echter Mensch für meine Kleine sein. Neue Musik, bedeutsame Konzertabende und einfach das Leben leben. Musik schreibt sich immer wieder von alleine, wenn man nur hinhört. Ich möchte weiterhin dann veröffentlichen wann ich etwas zu erzählen habe und nicht weil der Algorithmus es verlangt. Echt sein dürfen ist die Kunst, liegt zwischen Leichtsinn und Vernunft.

 

 

Elisa Cutullè

 

Foto: (c) Nico Campanella

 

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