Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“ feierte am 11. Januar eine bemerkenswerte Aufführung am Saarländischen Staatstheater, die trotz einer kurzfristigen Umbesetzung durchweg begeisterte. Die Inszenierung von Pia Richter präsentierte das Stück in einer spannenden Balance zwischen Komödie und Tragödie und unterstrich auf eindringliche Weise die Aktualität der Thematik von Machtmissbrauch und Sexismus.
Besonders hervorzuheben ist die Leistung von Eva Kammigan, die kurzfristig für die erkrankte Martina Struppek in die Rolle der Frau Marthe Rull einsprang. Trotz der geringen Vorbereitungszeit und der notwendigen Unterstützung durch das Skript lieferte Kammigan eine Glanzleistung ab. Ihre Präsenz und ihr Spiel wirkten keineswegs improvisiert, sondern überzeugten durch Authentizität und Ausdrucksstärke. Man merkte ihr die Herausforderung kaum an, was ihre professionelle Leistung zusätzlich unterstreicht.
Das gesamte Ensemble bot an diesem Abend schauspielerische Leistungen auf höchstem Niveau:
- Christiane Motter verkörperte den Gerichtsrat Walter mit der nötigen Autorität und Strenge, ohne dabei die subtile Ironie der Figur zu vernachlässigen.
- Raimund Widra als Dorfrichter Adam brillierte in der Darstellung eines Mannes, der sich mit immer absurderen Lügen und Ausreden aus der Affäre zu ziehen versucht. Seine Darstellung war urkomisch, ließ aber gleichzeitig die dahinterliegende Skrupellosigkeit und den Machtmissbrauch erkennen.
- Lucas Janson als Schreiber Licht agierte präzise und pointiert und sorgte mit seinem trockenen Humor für einige Lacher im Publikum.
- Anna Jörgens berührte als Eve mit ihrer Darstellung der jungen Frau, die Opfer eines Machtmissbrauchs geworden ist. Sie verkörperte eindrücklich die Zerrissenheit und das Leid ihrer Figur und verlieh dem Stück damit eine tiefere emotionale Ebene.
- Jonathan Lutz als Ruprecht überzeugte mit seiner energiegeladenen und leidenschaftlichen Darstellung des betrogenen Verlobten.
- Gaby Pochert rundete das Ensemble als Frau Brigitte mit ihrer soliden und präsenten Spielweise ab.
Die Inszenierung von Pia Richter setzte auf eine interessante Mischung aus Komik und Tragik. Wie sie selbst betonte, war es ihr wichtig, beiden Aspekten Raum zu geben. Dies gelang ihr hervorragend durch die differenzierte Figurengestaltung und das nuancierte Spiel der Schauspieler. Die Komik der Figur des Adam wurde dabei nie zu reiner Unterhaltung, sondern zeigte stets die Brutalität seines Handelns und den daraus resultierenden Schaden. Die Regisseurin verstand es, die #MeToo-Thematik, die im Stück angelegt ist, auf subtile und dennoch eindringliche Weise hervorzuheben, ohne dabei den komödiantischen Charakter des Stücks zu vernachlässigen.
Das Bühnenbild von Julia Nussbaumer war ebenso bemerkenswert. Die „verlotterte Amtsstube“, wie sie von Horst Busch im Interview beschrieben wurde, wurde auf surreale Weise mit Elementen wie Braunschweiger Würsten umgesetzt. Diese abstrakte Übersetzung schuf eine skurrile und gleichzeitig treffende Atmosphäre, die den ambivalenten Charakter des Stücks widerspiegelte. Wie Busch erklärte, ging es in Kleists Komödie nicht nur für Dorfrichter Adam „ums Ganze“, und das Bühnenbild visualisierte dies auf eindrückliche und humorvolle Weise. Es schuf eine surreale, aber dennoch realistische Welt, die auf lustige Weise zeigte, dass Sexismus und Machtmissbrauch leider noch immer sehr aktuell sind.
Insgesamt war die Aufführung von „Der zerbrochne Krug“ am Saarländischen Staatstheater ein großer Erfolg. Die Inszenierung von Pia Richter, das herausragende Ensemble und das originelle Bühnenbild sorgten für einen unvergesslichen Theaterabend, der sowohl unterhielt als auch zum Nachdenken anregte. Die Aktualität des Stücks wurde auf eindringliche Weise betont, ohne dabei den komödiantischen Charakter zu vernachlässigen. Ein besonderes Lob gilt Eva Kammigan für ihren kurzfristigen und dennoch bravourösen Einsatz.
Elisa Cutullè