Die Dresdner Musikfestspiele haben ihr 39. Festivalprogramm unter das Motto „Zeit“ gestellt, dessen unterschiedliche Facetten vom 5. Mai bis 5. Juni 2016 in 52 Konzerten von klangvollen Stimmen der internationalen Klassikszene beleuchtet werden. Darunter finden sich „einige magische Künstler, die Meister im Spiel mit dem Zeitgefühl sind“, verspricht Intendant Jan Vogler und meint damit u.a. geladene Virtuosen wie Leonidas Kavakos, David Garrett, Daniel Hope, Kristine Opolais, Pierre-Laurent Aimard, Daniil Trifonov, Igor Levit, Dorothee Oberlinger, Arabella Steinbacher, oder Till Brönner und Sergej Nakariakov.
„Ein gutes Konzert ermöglicht uns immer auch einen magischen gedanklichen Diskurs zwischen Vergangenheit und Zukunft“, erläutert Festivalintendant Jan Vogler das Motto der diesjährigen 39. Dresdner Musikfestspiele. Und gerade mit Blickpunkt auf aktuelle Probleme wie Ausländer- und Flüchtlingsfeindlichkeit bzw. aufflammendem Rassismus erscheint ein solcher Diskurs besonders notwendig. Die Festspiele 2016 können dabei einen wichtigen Beitrag leisten, zeigt sich der humanistisch engagierte Vogler überzeugt: „Musik hat immer eine sehr starke verbindende Wirkung. Konfuzius sagte, dass Musik Kriege verhindern und den Frieden in der Gesellschaft garantieren kann. Ich glaube, es wird in der Gesellschaft immer noch komplett unterschätzt, was Musik bewegen kann.“
Israel bildet einen zentralen Schwerpunkt des diesjährigen Festivalprogramms – zum einen als Auseinandersetzung mit der musikalischen Zeitgeschichte, zum anderen auch als klares multikulturelles und -konfessionelles Bekenntnis des Veranstalters bzw. als „ein lebendiges Symbol für Weltoffenheit und Verständigung“, wie Andreas Rieger vom Hauptsponsor Ostsächsische Sparkasse Dresden sagte. Als Residenzorchester berufen wurde für 2016 das Israel Philharmonic Orchestra unter dem erst 34-jährigen Omer Meir Wellber, der als eines der größten Dirigiertalente seines Landes gilt. Zu den geladenen Ensembles zählt zudem das Jerusalem Quartet mit einem reinen Schostakowitsch-Programm (9.5.), bei dem auch das Streichquartett Nr. 8 des Russen erklingt: ein Werk, das 1960 in der Nähe von Dresden unter dem Eindruck der zerbombten Stadt entstand und den Opfern von Krieg und Faschismus gewidmet ist. Außerdem wird die Neue Jüdische Kammerphilharmonie in der Neuen Synagoge (29.5.) Werke verfemter Komponisten aufführen, darunter das erstmals in Dresden erklingende Bratschenkonzert von Leo Smit. Seine Abrundung erfährt dieser Programmschwerpunkt durch die während der Festspielwochen in der sächsischen Landeshauptstadt Station machende Wanderausstellung „Israelis & Deutsche“, die anlässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern von der Deutsch- Israelischen Gesellschaft (DIG) realisiert wurde.
Zunächst aber nähert man sich dem Festivalmotto im Eröffnungskonzert (5.5.) aus einer eher abstrakten Perspektive an: Erstmals als Wandelkonzert angelegt, ist das Publikum während der
„Langen Nacht der Zeit“ im Deutschen Hygiene-Museum dazu eingeladen, der Zeitlichkeit von Musik in ihrer Vielfältigkeit sowohl akustisch als auch räumlich nachzuspüren. Den Anfang macht ein Programm der Michael Nyman Band, in dem der englische Minimal-Music-Pionier eine selbst geschriebene Auftragskomposition der Musikfestspiele zur Uraufführung bringen wird. Ab 21 Uhr erklingen dann zur subjektiven Auseinandersetzung des Einzelnen mit dem Phänomen Zeit Werke von J.S. Bach, John Cage, Morton Feldman bis hin zu Erik Saties „Vexations“, die in scheinbarer Endlosigkeit bis zum folgenden Morgen um 11 Uhr von sich abwechselnden Pianisten dargeboten werden.
Besondere Musik-Zeitreisen in die unmittelbare Gegenwart versprechen auch zwei Programme der Reihe „Classical Beats“: Das Brandt Brauer Frick Ensemble (7.5.) performt dabei elektronische Musik auf klassischen Instrumenten und die ECHO-Klassik-prämierte Band Spark (27.5.) präsentiert unter der Überschrift „Time and Again“ ihren einzigartigen Stilmix aus Post-Klassik, Minimal Music und Avantgarde – beiden Konzerten schließt sich eine Party inklusive DJ an.
Auch anderen jungen Künstlern wird in Dresden traditionell ein Podium geboten: ob den Studenten des legendären Curtis Institute (24.5. + 25.5. u.a. mit Olivier Messiaens „Quartett auf das Ende der Zeit“) oder den Preisträgern des Tschaikowsky-Wettbewerbs (26.5.), ob Laienmusikern allen Alters beim Programm „Klingende Stadt“ (28.5.) oder dem traditionellen Mitsingkonzert (4.6.), das in diesem Jahr erstmals mit dem Deutschen Evangelischen Posaunentag musikalisch verschmelzen wird.
Mit Yaman Okur ist auch einer der weltweit erfolgreichsten Breakdancer in Dresden beteiligt: Der mehrfach von der Pop-Ikone Madonna als Tänzer verpflichtete Türke hat eine Choreografie zu Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ (2.6.) geschaffen, die in der Kreuzkirche unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann zur Aufführung kommt. Es spielt das Dresdner Festspielorchester, ein alljährlich eigens zusammengestelltes Ensemble der besten Musiker für historische Aufführungspraxis, das auch am Abschlusskonzert (5.6.) beteiligt ist. Dort steht dann unter dem Dirigat von Ivor Bolton neben Beethovens Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 das Schumannsche Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129 mit Jan Vogler als Solist auf dem Programm. Am Tag zuvor erläutert der Cellovirtuose in einem moderierten Werkstattkonzert (4.6. 17 Uhr) das romantische Werk, nachdem es bereits von dem Quartett der Kritiker rund um Dr. Eleonore Büning in verschiedenen Einspielungen unter die Lupe genommen wurde (4.6. 15 Uhr) . Spannend ist zudem, dass der Festspielintendant mit demselben Konzert knapp zwei Wochen vorher schon einmal im Rahmen der Festspiele zu hören ist, dann jedoch an der Seite des von Lan Shui geleiteten Singapore Symphony Orchestra, das an diesem Abend (23.5.) auch ein neues Werk von Chen Zhangyi aus der Taufe hebt.
Mit dem Boston Symphony Orchestra unter Andris Nelsons (6.5.), dem Koninklijk Concertgebouworkest unter Semyon Bychkov (13.5.) oder dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck (23.5.) konnte Jan Vogler weitere renommierte Klangkörper für die Dresdner Musikfestspiele 2016 gewinnen und so deren Internationalisierung weiter vorantreiben. Denn gerade in diesen Tagen sei es an der Zeit zu zeigen, „dass dieser kulturelle Austausch Spaß macht, dass es ohne diesen kulturellen Austausch ärmer ist. Wir müssen progressiv Signale senden für eine moderne innovative Musiklandschaft auch aus Dresden heraus, und das versuchen die Musikfestspiele auch.“